Von Georg Haupt
Die Tätigkeit für die Schriftgießerei Gebr. Klingspor, die Technischen Lehranstalten und die Druckerei von Wilh. Gerstung hat im Laufe der letzten 15 Jahre eine Reihe von Künstlern auf dem Gebiet des Buch-Gewerbes in Offenbach seßhaft gemacht. Ein Teil von ihnen hat sich im Jahre 1919 mit einigen Frankfurtern, früheren Schülern der Technischen Lehranstalten, zu der Gruppe der "Offenbacher Schreiber" zusammengeschlossen. Das Archiv für Buchgewerbe hat dieser Gruppe in Nr. 1-2 des 57. Jahrgangs eine besondere Besprechung gewidmet, und ein erneutes Eingehen auf die Leistungen dieser Schreibschule wird sich hier erübrigen.
Als erster wurde im Jahre 1906 der in Nürnberg geborene, aus Hamburg stammende Rudolf Koch als Mitarbeiter der Schriftgießerei Gebr. Klingspor aus Leipzig nach Offenbach berufen. Durch seine warme Teilnahme an allem Schrifttum nicht weniger wie durch seine eigenen Leistungen ist er mit der Entwicklung des Buchgewerbes in Offenbach eng verwachsen. Bei Klingspor zeichnete er seine deutschen Schriften und arbeitet in enger Gemeinschaft mit den Stempel- und Formschneidern, in Verbindung mit Rudolf Gerstung gibt er die Rudolfinischen Drucke heraus, und an den Technischen Lehranstalten leitet er seit 1908 die Schriftklasse.
In der Hausdruckerei der Schriftgießerei von Gebr. Klingspor ist seit 1904 der Casseler Ernst Engel tätig, dessen Leistungen den Angehörigen des deutschen Buchgewerbes vielleicht besser bekannt sind als ein Name. Den Gedanken, der das Leitmotiv für die Entwicklung der Klingspor'schen Schriften bildet, in Schrift und Satz jedem Text die Darstellung zu geben, die seinem geistigen Gehalt am besten gemäß ist, hat Engel in den Arbeiten der Hausdruckerei unterstützt von den anderen Mitarbeitern mit wundervollem Verständnis und großem Können durchgeführt und den Fachgenossen seit Jahren eine Fülle vorbildlicher Leistungen und Anregungen geliefert. Er ist seit 1905 als Lehrer an den Technischen Lehranstalten tätig.
Im Weltkrieg fiel als Wehrmann der Magdeburger Franz Franke, der 1908 als Lehrer für Flächenkunst von Hamburg an die Technischen Lehranstalten berufen worden war. Er war Schüler von Nigg und blieb dessen Art in seinen zahlreichen graphischen Arbeiten treu. Für die Gerstung'sche Druckerei war er vielfach tätig; auch an dem Entwurf der bekannten Weinetiketten dieser Firma war er beteiligt. Auf seine Schüler übte der jugendliche Lehrer durch seine Kunst und vielleicht noch mehr durch seine Persönlichkeit einen nachhaltigen Einfluß aus, und im Kreis der Offenbacher Buchkünstler ist sein Name heute unvergessen.
Als Nachfolger Frankes wurde 1919 der in Offenbach geborene Ludwig Enders aus Darmstadt an die Technischen Lehranstalten berufen. Als Schüler von Friedrich Wilhelm Kleukens hat er von diesem entscheidende Anregungen erhalten. Vor allem hat er mit ihm die Klarheit der graphischen Arbeit bei phantasievollem Leben der Zeichnung gemeinsam. Eigenste Veranlagung führte ihn bald auf das Gebiet der Märchenillustration. Für Dietrichs Verlag schuf er die schönen Ausgaben von Schlegels "Lucinde", Brentanos "Gockel, Hinkel und Gackeleia", und von Goethes "Märchen", ferner die Illustrationen zu E. T. A. Hoffmans "Goldenem Topf" und das köstliche Kinderbuch "Pechvogel und Glückspilz" mit selbstverfaßtem Text. Im Verlag Parcus u. Co. erschienen seine Scherenschnitte "Schwarze Schnurren", im Phöbus-Verlag "Bergkristall" von Stifter. Von seinen zahlreichen wirkungsvollen Vignetten bringen unsre Abbildungen verschiedene Proben. Für die Offenbacher Druckereien schuf er Gelegenheitsdrucke, für die Ausstellung auf der Mathildenhöhe in Darmstadt Plakate; auch als Schriftzeichner hat er sich vielfach betätigt. Die Arbeiten von Enders sind durchaus nicht modern, expressionistischer Drang liegt ihm fern, auch macht er nicht in eigentlichem Sinne Schule. Aber sein Einfluß auf die Gebrauchsgraphik der jüngeren Offenbacher Künstler macht sich bereits entschieden geltend.
Aus dem Unterricht in den Fachklassen von Koch und Franke ist Hans Schreiber hervorgegangen. Schon die jugendlichen Eindrücke in der Goldschmiedewerkstatt seines Vaters in Hanau lehrten ihn das Wesen handwerklicher Arbeit zu schätzen und während seiner Lehrzeit als Schriftlithograph kam er schon zu Koch. Auch als Schreiber und als entwerfender Künstler auf dem Gebiet der Gebrauchs-Graphik hat er vor allem nach solcher soliden Grundlage handwerklichen Könnens gesucht. Diese Sachlichkeit prägt sich wohltuend in seinen Arbeiten aus und sie wurde gefördert durch die Tätigkeit des Künstlers in der Klingspor'schen Gießerei erst vor dem Krieg und dann wieder bis Ende 1919. Die Überlegenheit, die ihm diese Solidität seiner Arbeit gibt, macht sich vielfach in seinen Entwürfen geltend. Erst in den letzten Arbeiten, den Initialen zur Bergpredigt und einigen Entwürfen für Tabak- und Zigarrenpackungen, kommen persönliche Absichten des Künstlers zum Ausdruck. Seine Übereinstimmung mit den Zielen Rudolf Kochs auf dem Gebiet der Schreibschrift tritt dabei deutlich zu Tage. Seit einem Jahr wirkt Hans Schreiber als zweiter Lehrer in der Schriftklasse der Technischen Lehranstalten.
Der Rheinländer Hans Bohn ist wieder Schüler von Koch und Franke, deren Fachklassen er 1911 besuchte, war dann in Leipzig und später für den Ullstein-Verlag in Berlin tätig und ist mit einem Teil seiner Arbeitszeit in der Schriftgießerei Gebr. Klingspor beschäftigt. Gleichzeitig ist er künstlerischer Berater der Buchdruckerei Englert & Schlosser in Frankfurt a.M. Weiteren Kreisen wurde er vor allem durch sein Orplid-ABC, das 1914 erschienen ist, sowie durch seine duftig phantasievollen Aquarell-Illustrationen zu den auch von ihm geschriebenen "Exotischen Liedern" bekannt, die auf der Wanderausstellung der "Offenbacher Schreiber" gezeigt wurden. Mit ähnlicher Feinheit hat er eine Reihe von Pergamentbänden auf dem Einband mit Vignetten in Aquarell geschmückt. Für Hans von Weber illustrierte er den "Mann im Mond", einen Dreiangeldruck. Für die Gesellschaft hessischer Bücherfreunde schuf er die handkolorierten Lithographien zu einem Privatdruck "Lono und Kaikilani". Von seinen kleineren Arbeiten finden sich mehrere Proben im Text.
Neben Koch, Engel, Enders und Schreiber ist Richard Throll aus München als Lehrer an den Technischen Lehranstalten angestellt. Er ist Maler und leitet die Fachklasse für Dekorationsmalerei. Auch er hat dem genius loci seinen Tribut gebracht und mehrfach Zeichnungen für Buchschmuck geliefert.
Hermann Nater aus Offenbach arbeitet seit Frankes Tod 1917 als künstlerischer Berater bei Wilh. Gerstung. Wer die Leistungen dieser Firma auf dem Gebiet des Akzidenzdruckes kennt, wird dem Monogramm des Künstlers manches Mal begegnet sein.
Otto Reichert ist ebenfalls in Offenbach tätig. Auch er ist Schüler von Rudolf Koch und hat auf dem engeren Gebiet der Schreibschrift eine Reihe von guten Arbeiten geliefert. Einige Proben seiner Exlibris und Vignetten bringen die Abbildungen.
Der letzte in dieser Übersicht, Heinrich Maehler aus Offenbach, führt uns noch einmal in den Bereich der Schriftgießerei Gebr. Klingspor. Er ist dort seit 1919 als Zeichner angestellt, und seine Warenzeichen und Etiketten zeigen jene typographische Sauberkeit und Klarheit, die mit allen Leistungen dieses Hauses verbunden ist
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Es war der Zweck dieser Zeilen, Fernerstehenden einen Einblick zu geben, wie eng sich in Offenbach für die graphischen Künstler freies Schaffen, praktische Arbeit und Lehrtätigkeit verbinden. Was anderen Ortes vergeblich erstrebt wird, die Zusammenarbeit kunstgewerblicher Schulen mit Gewerbe und Industrie, ist hier fast ungesucht aus den Verhältnissen erwachsen. Möchte diese Gemeinsamkeit der Interessen auch in anderen Städten vorbildlich sein: Der Weitblick mit dem die Gebrüder Klingspor den von ihnen berufenen Künstlern die Arbeit im Dienst der Gesamtheit ermöglichten, der künstlerische Sinn, mit dem die Gerstung'sche Druckerei die ansässigen Kräfte für sich nutzte, und die Freiheit von büreaukratischer Enge, mit der die Leitung der Technischen Lehranstalten den doppelten Beruf ihrer Lehrkräfte mit den Anforderungen des Stundenplanes zu vereinigen gewußt hat. Der Erfolg hat jedenfalls bisher diesem Vorgehen für alle drei Teile Recht gegeben.
Aus: Archiv für Buchgewerbe und Graphik. 58.1921. S. 8f
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