19.07.2025

Geschriebene Bücher

  So unsinnig es wäre, heute nur noch handgeschriebene Bücher besitzen zu wollen, so wird doch ein Buch, das in der schönen, dem Sinn und Geist des gedachten Wortes eng verwandten Handschrift des Buchschreibers entstanden, diese mit den Mitteln des Drucks vervielfältigt, dem Ideal einer Buchschöpfung am nächsten kommen, deren Form unlöslich mit dem eingeschlossenen Geisteswerk verbunden ist. Einen höchst fesselnden Versuch der Wiederbelebung des geschriebenen Buches stellen die "Münchener Scriptor-Drucke" des Dreimasken-Verlages München dar. Den Schreibern dieser Bücher - und das Wort "Schreiber" ist hier als Bezeichnung eines wichtigen kunsthandwerklichen Berufs gemeint - ist es gelungen, das Wesen des Buches in der Schrift nachzufühlen. Und selbstverständlich passen sich Ornament und Illustration auch dem Duktus der Buchstaben an. Der Samen, den Rudolf Koch, Offenbach, in seiner Schule der Offenbacher Schreiber gelegt hat, ist hier aufgegangen. Welche Ruhe löst die wuchtige Schrift von Heinrich Jost zu dem "Trostbüchlein" aus, daß u.a. Gedichte von Eichendorff, Hölderlin, Möricke, Storm, Heine und Goethe enthält. Wie schmiegen sich die Typen der Zartheit der Gedichte an, die in der Anthologie "Die Mutter" gesammelt sind; Schreiber und Illustrator ist E. R. Vogenauer. Das Anna Simons in Schrift und Ornament zu der Gedichtsammlung aus dem Rokoko "Das Rosenband", "Rokoko verstaubt und lieblich", entzückend wiedergegeben hat, ist selbstverständlich. Eine Sammlung von Liebesgedichten u.a. von Conrad Ferdinand Meyer, von Bürger, Geibel, Uhland, Lenau, Brentano und Goethe ist von Jenny von Schnellenhühel romantisch verschnörkelt geschrieben. Und in einer Trinkliedersammlung "Die Seele des Weines", die Ernst Heigenmooser geschrieben und illustriert hat, scheint die schräge Stellung der Buchstaben bezüglich auf den trinkfrohen Charakter der Lieder zu sein. Die mit reizvollen Umschlägen versehenen Büchelchen umfassen nur einige Dutzend Seiten, und damit ist auch die Begrenzung des Umfangs solcher geschriebenen Bücher angedeutet. Aber auch in technischer Beziehung sind die Scriptor-Drucke bedeutsam. Sie sind nach dem neuen Druckverfahren des Manuldrucks von der Mandruck-G.m.b.H., München, unmittelbar vom Original gedruckt. Dieses Verfahren ermöglicht es, jeden Druck und jedes Bild wiederzugeben, ohne daß das Original wie bei dem bisherigen Verfahren angegriffen oder vernichtet wird. E. Collin
Aus: Archiv für Buchgewerbe und Graphik. 58.1921. S. 373f.

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