geb. am 16.05.1898 in Berlin
verh. am 24.08.1924 in Berlin mit Felix Gasbarra
1933 verzogen nach Schreiberhau (heute Polen)
1936 nach Rom
15.04.1948 Übersiedlung nach Brasilien
verst. 1976 in Sao Paulo.
Zu ihrem Leben:
Gabriel Heim. Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? Bozen, Edition Raetia. 2023
Zwischen Himmel und Hölle. Die vergessene deutsch-brasilianische Malerin Doris Homann. Von Sabine Meister. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. Jg. 121, Heft 1, Jan. 2025.
"Homann studierte in Berlin an der Königlichen Kunstschule sowie an der Akademie der Künste und schuf Illustrationen u.a. für "Berlin am Morgen", "Die Frau", "Die Rote Fahne" und "Der Knüppel". Zwischen 1919 und 1932 beteiligte sie sich an 16 Einzel- und Gruppenausstellungen, war Mitglied im Verein der Berliner Künstlerinnen und stand der Gruppe Progressiver Künstler nahe. Sie unterzeichnete 1922 das "Zweite Manifest der Kommune". Aus dem idyllischen Schreibenau floh sie 1936 nach Italien, wobei sie den Großteil ihres Frühwerks verlor. 1948 übersiedelte sie mit ihren Kindern nach Brasilien."
Lehr Kunstauktionen, Berlin. Katalog "Stanislax Kubicki und sein Kreis."
"Doris hat schon früh damit begonnen, sich mit Kunsthandschriften zu befassen. Ihre erste Begegnung mit Inkunabeln und den Versalien der spätmittelalterlichen Drucke hatte sie im Verein der Berliner Künstlerinnen, wo 'die schöne Schrift' gelehrt wurde. Doch statt sich mit goldenem Rechteck, Außensteg oder Spaltensatz zu quälen, greift sie zu Farben, Tusche und Pinsel und 'zertrümmert' die durch Jahrhunderte unantastbaren Formeln des Satzspiegels. Sie entwickelt eigene Schriftzeichen, setzt manchmal nur einen Buchstaben auf das Blatt oder lässt Lettern zueinander sprechen.
Ihre erste 'Homann-Inkunabel' ist die Ausgestaltung der Hiob-Geschichte aus der Bibel, eine eigenwillige, ganz unabhängige Darstellung, die ihr viel Anerkennung einbringt. Bald schon wendet sie sich auch modernen Texten zu, so zum Beispiel der Geschichte Höher als Gras von Franz Jung oder Rimbauds Bateau ivre. 'Es war alles sehr bludrünstig und meine glühenden Farben unterstrichen das Geballte des Textes'. Ihre noch ungebundenen Blätter plant sie, zunächst in einer kleinen Schöneberger Buchhandlung auszustellen. Dort wird sie an August Kuhn-Foelix empfohlen, den bibliophilen Eigner eines florierenden Handschriftenverlags.
'Ich klingelte, mir öffnete eine junge Person, nicht hübsch. Ich sah nur eine riesige Zahnreihe leuchten. Sie bat mich, im Salon Platz zu nehmen. Das war die zukünftige Frau Kuhn, Erbin eines großen Vermögens. Ich kam in einen Raum, der von einem riesigen Kruzifix ausgefüllt war, Elfenbein und das Podest mit Perlmutter ausgelegt. Teppich weiß ich nicht mehr, ich erinnere mich nur, dass die Tapete einen pompejanisch roten Ton hatte. Jetzt öffnete sich die Tür und herein kam ein riesiger, hagerer Mann im dunklen, seidenen Morgenrock mit Lackpumps, und in dem blassen Gesicht blitzte ein Monokel - wie bei einem Leutnant, fuhr es mir durch den Kopf. Am meisten aber machten die Lackpumps auf mich Eindruck. Dann wurde ich mit Lobesreden überschüttet und vor allem fand ich einen Dichter vor, der mir zum ersten Mal meine eigenen Handschriften erläuterte, von deren Bedeutung ich keine Ahnung hatte.
Kuhn war ein ganz seltener Kunstenthusiast. An seinen 'Jours' lernte ich eine Menge Leute der bibliophilen Welt kennen. So auch meinen ersten namhaften Käufer, den großen Buchhändler und führenden Antiquar, Martin Breslauer. An ihn verkaufte ich sehr viele meiner Handschriften.
Ich arbeitete zu dieser Zeit an einem für mich großen Buch, die Judith aus dem Buch der Bibel. Es waren wohl hundert Seiten und es war für mich ein wunderbares Auf und Ab, die Geschichte der jüdischen Heldin zu schreiben, als wenn sie heute passiert wäre. Ich stand zu jener Zeit morgens um fünf auf und bereitete alles so weit vor, dass ich den ganzen Tag in Ruhe und großer Konzentration die Seiten in meiner Schrift dahinfließen lassen konnte, vollkommen ungekünstelt und von leuchtenden Farben untermalt. Dieses Buch Judith brachte mein Mann zu Kandinsky. ... Kandinsky sah das Buch und meinte, es wäre Musik. Ich müsste sehr musikalisch sein. Als ich das hörte, lächelte ich nur: Ich musikalisch, die keine Note richtig singen konnte?'"
Gabriel Heim, Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? S. 108-110
"So ist sie denn schnell bei der Sache, als der Sammler Kuhn-Foelix mit der Idee an sie herantritt, eine Zeitschrift mit dem Titel Der Bücherwurm herauszubringen, deren Titelseite sie mit einer Porträtzeichnung gestalten soll."
Gabriel Heim, Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? S. 111
"Der Raum [ihr Atelier in Schreibenhau] war nicht groß, vier mal vier Meter, aber groß genug, um ihn wie eine Mönchsklause auszustatten mit herumlaufenden Bücherregalen, von unten bis oben. Hier drin arbeitete ich so vergnügt, wie nur je ein Künstler sein konnte. Hier entstanden nicht nur Bilder, sondern ich arbeitete auch an meinen großen Bilderhandschriften."
Gabriel Heim, Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? S. 138
"In dieser Zeit [1922] begann Homann erfolgreich, Kunsthandschriften zu gestalten. Sie malte in zwanzig Exemplaren die Inkunabeln [gemeint sind wohl die Initiale] des Buchs 'Daniel' aus dem Alten Testament, in dem es um die Frage der gerechten Herrschaft geht. Willy Jaeckel übernahm die Illustrationen. Soweit heute bekannt ist, war das der Anfang ihrer Buchgestaltung. Für den Handschriften-Verleger August Kuhn Foelix, den Malik-Verlag und anderen Verlagen sowie für Privatsammler schrieb und gestaltete sie Bücher als Unikate oder in kleinen Auflagen, so zum Beispiel 'Hiob' und 'Judith' oder - inzwischen in Schreiberhau - die Paul Celan-Übersetzung des Gedichts 'Bateau Ivre' von Arthur Rimbaud als vollständige Handschrift. "Zwei Stunden wunderbarer Arbeit lagen vor mir zu Beginn eines jeden Tages. Die Farben des Rimbaud-Buches 'Bateau Ivre' waren wie ein Schrei in tobender Ekstase und wie Finale, die in ungestümem Rhythmus des Versmaßes das Buch durchrasten. ..." Sie sprengte die Regeln der Typographie und den Satzspiegel. Ihre expressiv-abstrakte Formensprache führte zur Bezeichnung der Homann-Initiale, spätestens 1925 war sie auf diesem Markt etabliert.
(Aus einer Fussnote: Die Anzahl ihrer Kunsthandschriftenbücher ist nicht mehr rekonstruierbar, da die meisten den Nachkriegsplünderungen in Schreiberhau zum Opfer fielen. Gedruckte Bücher, an denen sie beteiligt war, sind hingegen nachweisbar. So illustrierte sie beispielsweise 1925/26 Berta Lasks Erzählung "Wie Franz und Grete nach Rußland kamen. Erzählung für die Arbeiterjugend und Arbeitereltern", mit acht Bildern und Einbandzeichnung von Doris Homann, Berlin 1926, erschienen im Verlag: "Vereinigung Internationale Verlagsanstalten". ...)
Aus: Zwischen Himmel und Hölle. Die vergessene deutsch-brasilianische Malerin Doris Homann. Von Sabine Meister. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. Jg. 121, Heft 1, Jan. 2025. S. 2ff
Malerin, Illustratorin, Graphikerin, Journalistin und Bühnenbildnerin.
Besprechung ihrer Handschriften in der "Zeitschrift für Bücherfreunde" 1924.
Evtl. Schülerin an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Berlin, Charlottenburg.
An dieser Schule war sie jedenfalls an einem Buchprojekt beteiligt:
Daniel (Das Buch Daniel). Mit 15 Radierungen von Willy Jaeckel, die von Hermann Birkholz auf der Handpresse abgezogen wurden. Berlin, Verlag von August Kuhn-Foelix. 1922. 49 S. 4°.
Den Druck besorgte die Kunstgewerbe und Handwerkerschule Charlottenburg.
Druckleitung: Edmund Schaefer. Die Initialen sind von Doris Homann mit der Hand eingemalt. 20 Expl. kamen in den Handel. Nr. 1-3 auf feinstem Bütten in Ganzleder, Nr. 4-20 auf Bütten in Pergament.
Nahm an der großen Schriftkunstausstellung für Rudolf Larisch in Wien 1926 teil.
War verheiratet mit Felix Gasbarra (1895-1985), der 1922 die "Internationale Ausstellung revolutionärer Künstler" in Berlin (mit) organisierte.
Siehe: Versuch einer Rekonstruktion: Internationale Ausstellung Revolutionärer Künstler 1922 in Berlin. Neuer Berliner Kunstverein. 1975. Kat.-Nr. 12
Aus der Besprechung in der Zeitschrift für Bücherfreunde. 1924
[vor 1924] - Hiob
[1924] - Baal zu Babel
[1924] - Bergpredigt
[1924] - Büchner. Pamphlet
[1924] - Danton. Verteidigungsrede vor dem Konvent
[1924] - Declaration of Independance
[1924] - Rimbaud. Bateau ivre. (im Urtext)
[1924] - Schöpfungsgeschichte der Bibel
[1924] - Vom Drachen zu Babel.
[1924] - Whitman. Gesang an Amerika
o. J. - Jung. Höher als Gras.
Im Antiquariatshandel:
1922 - Kain. (6. Kuhnsche Bilderhandschrift)
1922 - Das Buch Judith.
Lehr Kunstauktionen, Berlin.

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